26.04.2007 ein glücklicher mensch


ich schreibe mit einer hand und alles klein und das kam so:


auf der veranda haben wir eine grosse, weisse wand. dahinter den garden-storage. hauptzweck dieser wand ist schatten zu spenden und das macht sie ausgezeichnet. und bereits bei der elektroplanung habe ich eine pumpe vorgesehen, die eben an dieser wand einen wasserfall betreiben sollte. der kunsthandwerker, der den teich im garten gestaltet hatte, machte das so gut, dass wir ihn auch mit der gestaltung des wasserfalls auf der veranda beauftragten.


ein schweigsamer mensch, der sich einen deut um unsere lobenden worte beim bau des teiches scherte, was für einen balinesen wiklich untypisch ist. ein künstler eben. er liess von seinem gehilfen eisen und tonziegel und mörtel herbeischleppen und begann das ganze schicht um schicht an der wand aufzuschichten. etwas rustikal wurde das ganze und das wasser wollte nicht so recht seinen vorgesehenen weg nehmen und spritzte die halbe veranda voll. man sollte einem künstler niemals drein reden, das scheint weltweit gültigkeit zu haben, wie ich inzwischen weiss. und so nahm das unglück genau an dieser stelle seinen lauf.


thea meinte das wasser solle lautlos dem stein entlanglaufen. das hätte den vorteil, dass es nicht mehr spitzte und plätscherte, so dass eine unterhaltung mit mir wieder möglich wäre. dazu muss man wissen, dass mein gehör nicht mehr auf dem neuesten stand ist und zwischen umweltgeräuschen und sprache nicht mehr zu unterscheiden vermag. meist spielt das auch keine rolle. aber wenn thea sich nicht verstanden fühlt, dann behagt ihr das gar nicht, was sie dann auch laut und deutlich und solange, bis ich es verstanden und glaubhaft akzeptiert habe, thematisiert. also war ich mit der idee grundsätzlich einverstanden, nur dass jetzt der mörtel einen wasserdichten überzug bekommen sollte, sodass die dahinter liegende wand sich nicht mit wasser vollsaugen konnte. und wenn der künstler die oberfläche schon neu gestalten musst, so könne er auch gleich die rundlichen formen durch eher kubische ersetzen, das würde die rustikale wirkung etwas eindämmen, dachte ich. und der künstler sagte jäschjäsch und zog sich zurück um einen joint zu rauchen.


er musste noch manchen joint rauchen und es war offensichtlich, dass er den spass an dem projekt verloren hatte. entsprechend verkifft, geschwürartig kam das ganze heraus.


wir beschlossen dem ganzen ein ende zu setzen. der viele beton sollte wieder weg um einem völlig neuen projekt platz zu machen. es rückten drei ganz normale arbeiter an um das werk nicht dem boden sondern der ursprünglichen wand wieder gleich zu machen.


sie arbeiteten, wie balinesen eben arbeiten: unkoordiniert, unprofessionell und vor allem ineffizient. ich spendierte meinen elektrobohrmeissel. daran hatten sie ihre helle freude und führten ihn, einem phallussymbol gleich, wahllos in die wand ein. und das haus dröhnte. einmal mehr konnte ich mein helfersyndrom nicht bezwingen und zeigte den leuten, wie man riesengrosse stücke mit geschickter planung und einigem überlegen als ganzes von der wand lösen konnte. auch daran hatten sie ihre helle freude. nach dem dritten brocken liess ich sie alleine gewähren. aber am nächsten tag schienen sie alles wieder vergessen zu haben (vermutlich hatten sie nach feierabend eine zeremonie. und zeremonieen scheinen nicht nur den geist zu reinigen, sondern auch das gedächtnis, was mir inzwischen schon einige male, zu recht oder unrecht, aufgefallen ist).


ich erklärte thea, dass ich die handwerker nun alleine wursteln lassen wolle. und thea fuhr beruhigt nach singaraja zum einkaufen, beruhigt, dass ich mich hinter den computer verzogen hatte. einer der wenigen orte, von der sie weiss, dass ich mich dabei noch niemals verletzt habe.


nach fünf minuten erzitterte das haus in seinen grundfesten und drohte ob einem grossen vorschlaghammer zusammen zu stürzen. ich stoppte diese arbeitsweise. jeder der arbeiter schnappte sich nun einen kleinen hammer und wie kleine äffchen hämmerten sie an dem beton herum. der schöne elektrobormeissel lag achtlos in einer ecke. ich konnte einfach nicht mehr zusehen, erbarmte mich meiner und übernahm wieder die rolle des vorarbeiters.

nach fünf minuten hatten wir wieder ein besonders grosses prachtsstück von der wand gelöst. nur: es schwebte, von einem armierungseisen gehalten, knapp 2 meter über dem boden. ich überlegte, wie man das gute stück herunter bringen könnte, ohne dass sich ein arbeiter dabei verletzen würde. ich positionierte die leute so, dass sie die fallrichtung beeinflussen konnten ohne selbst in der fallinie zu stehen. ich selbst sägte am armierungseisen. dabei musste ich mich am steinbrocken abstützen und als der fiel, fiel ich mit und der steinbrocken auf meine hand. aber ansonsten verlief alles wie geplant und die arbeiter waren zu keinem zeitpunkt gefährdet.


gottseidank war thea in singaraja, ich bin mir nicht sicher ob sie für diesmal ihre coolness für solche situationen hätte bewahren können. ich rief dr. handras an. er freute sich über meinen anruf und erkundigte sich nach meinem befinden: „not wäri gut, pleas comme quik and bring wire and nails. i have a little accident“. nach kurzem zögern schien er verstanden zu haben, dass ein möglicherweise interessanter fall, mal etwas anderes als die üblichen infektionen, seinen berufsalltag etwas aufhellen könnte und er versprach sogleich loszufahren.


inzwischen kam thea von ihrem einkauf zurück. ich beobachtete, wie sie von wayan abgefangen wurde und wie er mit sorgenvollem gesicht auf sie einredete. nur das nicht, denn wayan ist von unseren staffs DER sorgenträger. und wenn er noch länger auf thea einredete müsste ich sie anschliessend davon überzeugen, dass ich noch nicht gestorben sei. ich rief und winkte sie von wayan weg, was mir gottseidank auch gelang. und sie reagierte wie immer in solchen situationen cool und überlegt. sodass ich dr. handras eigentlich nicht mehr gebraucht hätte.


der traf dann kurz, nachdem thea alles versorgt hatte, ein. er begutachtete den schaden kurz und meinte, dass die weitere behandlung besser im spital fortgeführt würde. er würde mich hinfahren und den fall persönlich begleiten. das war auch gut so, denn dr. handras geniesst mein volles vertrauen, ganz im gegensatz zu den spitälern in bali und im speziellem zu jenem wo er mich hinführte. alle meine vorurteile schienen bestätigt: die röntgenmaschiene wies rostflecken auf und stand in einem raum, wo sich noch niemals eine putzfrau verirrt hatte. trotzdem zauberte der röntgenarzt ein ausgezeichnetes bild von einem gebrochenen finger hervor.


es sei ein offener bruch und der müsse ganz besonders sorgfältig gereinigt werden, am besten unter vollnarkose, aber sie hätten ganz moderne mittel und ich würde nicht unter folgeerscheinungen zu leiden haben. der operierende arzt würde in einer stunde eintreffen. und tatsächlich war der nach einer europäischen stunde im operationssaal. der war etwas besser als der röntgenraum und statt der vielen monitore hatte der anästesist einen fernseher, in dem er mit viel interesse eine soap-serie verfolgte. aber da war ja noch dr. handras, der würde schon aufpassen, beruhigte ich mich und schliesslich ist dr. handras ein chinese und als arzt schon damit viel vertrauenswürdiger.


hier gibts einen unterbruch von ca. einer stunde vollnarkose.


ich wachte etwas benommen auf. nach kurzer zeit konnte ich aufsitzen, packte das gestänge mit dem tropf und wanderte damit aus dem operationsbereich nach draussen um eine zigarette zu rauche. niemand störte sich daran. jaja die balinesischen spitäler haben auch ihre guten seiten.


wieder zu hause begegneten mir die staffs mit einem andern als dem gewohnten blick. etwas ängstlich, etwas ausweichend. des rätsels lösung ergab sich am nächsten tag. der driver bat im namen der gesamten belegschaft die notwendigen zeremonien für das haus, die fahrzeuge und all die vielen maschinen doch möglichst bald abzuhalten. für mich war klar, dass damit der schlechte geist, der über unserem anwesen schwebte und der für den unfall verantwortlich war, vertrieben werden musste.


eigentlich wollten wir damit zuwarten bis uns unsere töchter im sommer besuchen würden. und das wussten die staffs auch. aber es schien ihnen wirklich dringend zu sein. wir riefen alle staffs zusammen und in einer kleinen ansprache verkündete ich, dass die zeremonie vorgezogen würde. und dass die zeremonie für die belegschaft sei und für mich und thea keine bedeutung hätte, aber dass wir den glauben und die traditionen unseres gastlandes respektierten. und was den unfall anbelange, so sei ich davon überzeugt, dass ich trotz meiner riesengrossen blödheit extrem glimpflich davon gekommen sei und ich mich somit als ein vom glück begünstigten menschen halte.


die gesichter hellten sich wieder auf.