Balinesisches Receicling

 

Wie denn das mit dem Abwasser sei, werde ich oft von Besuchern gefragt. Natürlich meint der Besucher nicht das normal Abwasser sondern jenes das zum wegspülen der menschlichen Verdauungsprodukte verwendet wird. Oh, da hätten wir eine gute Lösung mit einem Septiktank. Aha meint der Besucher, das sei ja beruhigend. Ich lasse ihn im Glauben, denn was der Besucher nicht weiss: etwa 2 jährlich müssen die Tanks abgesaugt und entsorgt werden. Und Entsorgen bedeutet nun mal in Bali „ab in den nächsten Fluss“.

 

Dazu muss man wissen, dass die Abwasserreinigung in Europa erst gut 50 Jahre alt ist. Und meines Wissens kein Schwellenland in der Lage ist, die hunderten von Milliarden Dollar, die für deren Errichtung notwendig wären, aufzubringen. Und ich selbst schon gar nicht, ich besitze nicht einmal eine Milliarde (leider, aber ich kann damit leben).

 

Meine Oeko-Bilanz ist zwar etwas besser als jene eines Touristen auf Bali. Und soweit möglich tun wir auch etwas dafür. Aber so richtig wohl fühle ich mich dabei nicht. Aber immerhin bin ich bereits Balinese genug, um die notwendigen Verdrängungs-mechanismen entwickelt zu haben.

 

Ich erinnere mich noch an mein naives Entsetzen in der Bauphase, als auf dem Nachbargrundstück Lastwagen auffuhren um Tonnen von Müll abzuladen. Aufgeregt telefonierte ich dem Generalunternehmer und schilderte die Schweinerei. Das sei aber wirklich eine Schweinerei meinte dieser und er werde sich umgehend darum kümmern. Und tatsächlich, 3 Stunden später wurde der Müll wieder aufgeladen und die Lastwagen tarnten ihren Rückzug mit einem schwarzen Rauchschwall aus den Auspuffrohren.

 

Später erfuhr ich dann, dass diese ihre Ladung etwa 300 Meter weiter entfernt im Flussbett entsorgt hätten. Und noch etwas später, dass es keine andere Möglichkeit gebe und noch etwas später, dass der GU den Müll nur deshalb wieder abtransportieren liess, weil er das Landstück einem potentiellen Käufer zeigen wollte.

 

Und der Käufer dieses Grundstücks, das von einem Flusslauf durchzogen ist, hat sich mittlerweile damit abgefunden, dass er alljährlich zu Beginn der Regenzeit den angeschwemmten Unrat -- am auffälligsten die vielen, vielen Plastiksäcke -- an seiner Uferböschung einsammelt und auf die übliche und einzig mögliche balinesische Art entsorgen lässt. Eben, in der Art des balinesischen Receiclings.

 

Ob im Supermarkt oder im kleinen Warung nebenan: alles wird in hauchdünnen Plastiksäckchen verpackt. Es ist schon erstaunlich mit welchem Geschick die Verkäufer die Ware in die fragilen Plastiksäcke bringen. Ich jedenfalls schaffe es nur selten so einen Beutel ohne Risse nach Hause zu transportieren. Zuhause angekommen wandert dann der kleine Plastikbeutel in einen grossen Plastikbeutel. Der wandert dann in den Abfallcontainer. Einmal wöchentlich wird der von einem privaten Entsorgungsdienst geleert. Das nützliche wird herausgefischt und der Rest landet im nächsten Fluss. Und in der Regenzeit wird der Abfall mitgeschwemmt und landet beim Nachbarn an der Uferböschung oder im Meer . Ein rechter Teil wird am Meeres-Ufer angeschwemmt. Die Hotels und die ordentlichen Villenbesitzer sammeln das Strandgut und entsorgen es in einem grossen Plastiksack, der dann in die Mülltonnen wandert.....

 

Aber normalerweise bringen wir zum Einkaufen unsere stabilen Taschen aus Stoff mit. Und wir haben uns daran gewohnt, dass die Kassiererin regelmässig die Tasche verrechnen will, denn wer bringt schon eine eigene Tasche mit. Und mit Erfolg wehren wir uns inzwischen dagegen, dass die Einpackerin die Ware nicht vorab in Plastikbeutel steckt, bevor die vielen Beutelchen in unsere grosse Stofftasche wandern.

 

Die Plastiksäcke sind aber harmlos. Von Gesetzes wegen müssen die aus verrottbarem Material sein. Aber der Inhalt hats in sich. Cadmium und Blei von Batterien, Speise- und Petro-Oehle, Elektronikschrott und Chemikalien, die man in Europa nur noch in der Literatur findet.

 

Zum Beispiel Rostentferner. Dazu erhält man in Europa ungiftige und neuerdings sogar biologische (echt!) Produkte, die das hervorragend bewältigen. Ich hab im Internet alles über Rostentfernung gründlich recherchiert und gab Thea anlässlich ihrer Einkaufstour im Süden einen Stapel Papier von möglichen Produkten aber auch von mehr oder weniger giftigen Substanzen mit. Dies in der Hoffnung, dass eines dieser Produkte in einem neu entdeckten Chemikalien-Laden erhältlich wäre. All das hätten sie nicht. Aber für Rostentfernung werde üblicherweise eine Chemikalie benutzt, die man aber mit Wasser im Verhältnis 1:1 verdünnen müsse. Ausserdem wurde das Tragen von Handschuhen empfohlen. Thea erwarb 2 Liter davon.

 

HF stand auf den Flaschen mit dem Rostentferner. Nach einigem Suchen im Internet wurde ich fündig: Fluorwasserstoffsäure auch bekannt unter dem Namen Flusssäure wurde früher und unter anderem für das Entfernen von Rost eingesetzt. Dabei soll es recht effizient sein. Allerdings die Hinweise zu den notwendigen Sicherheitsbestimmungen machten mich stutzig. Spezielle Schutzkleidung, Atemmaske, Schutzbrille, Handschuhe aus speziellem Kunststoff , eine Schwalldusche in Arbeitsnähe, Injektionsspritzen mit den notwendigen Medikamente und ein Notfallplan mit Spitaltransport wurden als absolut notwendig angegeben. Und etwas weiter unten erfuhr ich noch, dass schon kleine, unbehandelte Spitzer von HF tödlich wären. Tückischerweise spürt man diese Spritzer erst nach einigen Stunden, wenn es bereits zu spät ist.

 

Die Flaschen verpackte ich dann gut gepolstert in einer Schachtel, die ich an einer gut belüfteten, unzugänglichen Stelle zwischenlagerte. Später entsorgte Thea die Flaschen beim ursprünglichen Verkäufer. Dieser dürfte sie dann erneut einem Balinesen (ohne Internetanschluss) verkauft haben, der damit ein verrostetes Motorrad restauriert und, falls er es überlebt, mit Gewinn wieder verkauft.

 

Inzwischen recherchieren wir im Internet alle Chemikalien aber auch Medikamente vor deren Anwendung.

 

Zum Beispiel das Mittel gegen Blasenentzündung aus der Apotheke mit Beratung. Es entpuppte sich im Internet als Mittel für Herzkranke. Als Kontraindikation war Blasenentzüdung aufgeführt.

 

Oder zum Beispiel das sogenannte reine Salz für die Geschirrwaschmaschine, das sich als Magnesium-sulfat herausstellte und die Geschirrwaschmaschine ruiniert hätte. Aber als Badezusatz soll es gesundheitsförderlich sein. Es ist ungiftig und wurde früher auch als Abführmittel verwendet.

 

Oder mit andern Worten: für Chemiker ist Bali ein Eldorado. Allles was gefährlich ist, ist problemlos und ohne Giftschein und Entsorgungsnachweis erhältlich. Nur ein leichtes Schlafmittel ist ausschliesslich gegen ärztliches Rezept erhältlich. Aber das ist durchaus verständlich, denn welcher echte Balinese leidet schon unter Schlaflosigkeit.